Die einzelnen Zellen der Bienenwaben weisen eine faszinierende Präzision im Erscheinungsbild auf: vollkommen gleichmäßige Sechsecke, gefertigt aus hauchdünnem Wachs, das sie selbst erstellen und beim Bauen verarbeiten.
Wie schaffen die Bienen das? Sind Honigbienen talentierte Mathematiker?
Die Zellen der Honigbienen sind derart exakt ausgebildet, dass der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler (1571 – 1630) den Bienen einen mathematischen Verstand zuschrieb, um ihre Leistung erklären zu können. Der französische Naturforscher René-Antoine Ferchault de Réaumur (1683 – 1757) schlug sogar vor, das Maß der Wabenzellen zur Grundlage eines einheitlichen Längenmaßes zu machen.
Wie diese Regelmäßigkeit der Wabenzellen zustande kommt, ist nicht genau bekannt. Beobachtet man einzelne Bienen beim Bauen, dann sieht man, wie sie mit Mundwerkzeugen und Beinen die Wände bearbeiten. Die Dicke dieser Wände ist über die gesamte Länge bis auf wenige tausendstel Millimeter fast gleichmäßig. Die Wände frisch gebauter Zellen sind perfekt glatt und überall gleich dick und die Winkel, unter denen die Wände zusammenstoßen, betragen exakt 120 Grad.
Wie diese Genauigkeit zu erklären ist, darüber gibt es mehrere Theorien. Eine davon sieht ausschließlich das direkte Bauverhalten der Bienen als Erklärung an: Jede Baubiene bearbeitet eine Seite einer Zellwand, sie kennt also nicht die Beschaffenheit der Gegenseite, an der eine andere Biene arbeitet. Beide drücken mit ihren Fühlern gegen die Wand. Sie haben eine instinktive Vorstellung davon, wieweit die Wand diesem Druck nachgeben darf, wenn die Wanddicke stimmt. Durch ständiges Wachsabschaben vom Rohbau der Wand und kontinuierliche Druckproben entsteht nach und nach die optimale Zellwanddicke in größter Regelmäßigkeit.
Neuere Forschungsansätze weisen in eine andere Richtung.
Betrachtet man eine Wabenbaustelle im Naturwabenbau mit einer Wärmebildkamera, dann erkennt man: Am Rand der Wabe liegen die neuen Zellen. Diese haben die Baubienen zunächst rund angelegt, wobei sie den eigenen Körper als Schablone benutzen können. In die frisch aufgebauten Zellen schlüpfen nun Heizerbienen, die die Wände und Böden auf eine Temperatur von über 40 Grad Celsius bringen. Das erwärmte Wachs wird so geschmeidig, dass jetzt, während die Zellen in die Länge gezogen werden, ein physikalischer Vorgang in Gang kommen kann, der zu der exakten Ausbildung der sechseckigen Wabenstruktur führt. Sechsecke entstehen überall automatisch, wo gleichverteilte Kraftquellen gegeneinander wirken. Die innere mechanische Spannung der Wabenwände zieht das geschmeidig gewordene Wachs so zurecht, dass jede der dicht gepackten Zylinder-Zellen sechs gerade Wände ausbildet. Das Zusammenspiel der physikalischen Eigenschaften des bieneneigenen Baustoffes, dem Wachs, führt, zusammen mit der Fähigkeit der Bienen, das Wachs aktiv zu erwärmen, also zu einem so faszinierend genauen Ergebnis (Karihaloo 2013).
Seifenblasen zeigen das gleiche Phänomen: Wenn zwei Seifenblasen zusammenstoßen, entstehen ganz von selbst exakt glatte und gleich dicke, vollkommen ebene Wände zwischen ihnen.
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